Tierversuche und 3R (1/4): Von Wundheilung in Mäusen und Zellkulturen
Forschungsprojekte mit Tierversuchen benutzen eine Vielfalt an Methoden. Ein vom SNF gefördertes Beispiel zu Hautkrankheiten, Geschwüren und Krebs.
Sabine Werner, Professorin für Zellbiologie an der ETH Zürich, untersucht, wie Wunden heilen. Das Wissen über die Abläufe in den Zellen und Geweben hilft bestimmte Hautkrankheiten besser zu verstehen, zu diagnostizieren und zu behandeln. Und dabei geht es nicht hauptsächlich um Schnitte und Schürfungen, sondern um Wunden, die nicht heilen wollen wie Geschwüre oder um chronische Hauterkrankungen wie Neurodermitis. Manchmal vernarben Wunden auch zu stark, zum Beispiel nach Verbrennungen. Die Erkenntnisse aus der Erforschung der Wundheilung helfen auch, die Gründe für das übermässige Wachstum von Krebszellen zu finden.
Ein Stück Rückenhaut ausstanzen
«Um die komplexen Erkrankungen zu verstehen, brauchen wir Tierexperimente, die uns zeigen, wie die verschiedenen Zelltypen zusammenspielen», sagt Werner. «Daraus können wir Hypothesen generieren, die wir am Schluss an Patientinnen und Patienten überprüfen können.» Dabei werden in diesem Projekt zum Beispiel einzelne Gene für Botenstoffe bei den Mäusen unterdrückt. Unter Narkose wird den Tieren ein Stück Rückenhaut ausgestanzt, so wie bei Menschen manchmal Muttermale entfernt werden, und in den Tagen darauf wird die Heilung minutiös dokumentiert. Nach drei Tagen bis zwei Wochen werden die Mäuse getötet, um das Wundgewebe zu untersuchen. Auf einer Skala null bis drei, nach der die Belastung von Versuchstieren schweizweit erfasst wird, entsprechen diese Versuche dem Schweregrad zwei. Ihr finanzieller Anteil am gesamten Forschungsprojekt beträgt 22 Prozent.
Etwa gleich gross sind die Ausgaben für Versuche mit Tieren, die gezüchtet werden, damit deren Zellen und Gewebe untersucht werden können, nachdem sie mit Kohlendioxid eingeschläfert wurden. Dies entspricht gemäss Gesetz dem Schweregrad null. In gewissen Versuchen wird ihnen dafür wenige Stunden vor der Tötung noch ein Wirkstoff injiziert, wodurch die Versuche als Schweregrad eins gelten. Dafür wurden 18 Prozent aus den Projektfördergeldern eingesetzt.
Am meisten Ressourcen fliessen allerdings in Experimente mit Zellen und Geweben, die von Patientinnen und Patienten zur Verfügung gestellt oder seit vielen Jahren ausschliesslich im Labor kultiviert worden sind. Diese Versuche machen mit 60 Prozent der Ausgaben den grössten Teil des Projektes aus. Die verschiedenen Forschungsansätze ergänzen sich und erlauben erst zusammen, bessere Therapien für Menschen und Tiere zu entwickeln.
Wenn möglich ohne Mäuse
Die 3R-Prinzipien sind zentral im Laboralltag. Sabine Werner findet sogar: «Die 3R-Prinzipien liegen in der menschlichen Natur. Ich kenne keine Forscherin und keinen Forscher, die oder der gerne Tierversuche macht.» So hat auch Werner im Laufe der Forschung Ersatzsysteme (erstes R: «replace») entwickelt, bei denen verschiedene Zelltypen miteinander kombiniert werden und Signalstoffe hinzugefügt werden können. Das reduziert nicht nur die Zahl der für das Projekt nötigen Mäuse, sondern ist auch schneller und meist billiger. Daher versucht Werner, wann immer möglich auf solche zurückzugreifen. Auch wenn Versuche mit Mäusen gemacht werden, geschieht dies zuerst mit der halben Anzahl (zweites R: «reduce»). Nur wenn dieses Vorexperiment vielversprechende Daten liefert, wird der Wiederholungsversuch mit gleicher Tierzahl durchgeführt, damit aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden können. Und stets werden die Methoden und die Pflege der Tiere weiterentwickelt, so dass die Mäuse möglichst wenig belastet und beim Beobachten möglichst wenig gestört werden (drittes R: «refine»).
Der SNF finanziert eine Vielfalt an Methoden
Der SNF förderte im Jahr 2019 Forschung mit über 970 Millionen Franken. Knapp 140 Millionen Franken flossen dabei in Forschungsprojekte, die auch Tierversuche beinhalten. Darin enthalten ist auch ein Teil des oben genannten Projekts von Sabine Werner. Die SNF-Förderbeiträge werden also in eine Palette unterschiedlichster Forschungsansätze investiert, immer mit dem Ziel, wichtige Fragen zu beantworten.
Wie viel von welcher Chemikalie und welcher Anteil der Anschaffungskosten eines Apparates für die Tierversuche im Projekt eingesetzt wurden, kann nicht auf sinnvolle Weise präzis bestimmt werden. Um trotzdem eine grobe Idee zu erhalten, wurde der Anteil der Arbeitszeit geschätzt, den die vom SNF-Projekt 169204 finanzierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die Tierversuche und die daran anschliessende Aufarbeitung der Gewebe (Schweregrad zwei auf einer Skala von null bis drei), für die Forschung mit Zellen und Geweben, für die Tiere ohne vorausgehenden Eingriff getötet werden (Schweregrad null, selten Schweregrad eins), und für die restlichen Experimente ohne Tiere aufgewandt haben. Auch die Lohnkosten für Doktorierende und Postdocs wurden entsprechend aufgeteilt (siehe Tabelle unten).
Budget: Ein Fünftel für belastende Tierversuche
So kommt man auf einen Anteil von rund 40 Prozent des SNF-Beitrags, der in die Tierversuche und Forschung mit Zellen und Geweben fliesst. Wenn man nur die belastenden Tierversuche nimmt bei denen Wunden zugefügt werden, dann betrifft es noch 22 Prozent des Budgets. Darin eingerechnet ist der hälftige Anteil des SNF an den Tierhaltungskosten. Nicht miteingerechnet sind andere Finanzierungsquellen, wie die andere Hälfte der ETH Zürich an die Tierhaltungskosten und die Beiträge für die Ausbildung und Bewilligungsverfahren.
Angemerkt werden muss noch, dass mehr als die Hälfte des Projektbudgets auf das Folgeprojekt übertragen wurde, weil für den ersten Teil andere Finanzierungsquellen zur Verfügung standen, während im zweiten Teil die SNF-Mittel für die Weiterfinanzierung aller Projektmitarbeiter essentiell sind. Im Folgeprojekt wird der Anteil der Forschung mit Tieren höher sein und vermutlich rund 70 Prozent betragen.
Tierversuchskosten des SNF-Projekts 169204 in Franken: