3R-Forschung: Besser verstehen, wo der Hase im Pfeffer liegt

© Marco Finsterwald

Ein Team rund um das «NFP 79 – Advancing 3R» hat eine Einschätzung und einen Überblick zum aktuellen Zustand der 3R publiziert.

Herr Prof. Grimm, sie haben gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen ein Paper geschrieben zum aktuellen Zustand der 3R, zu Herausforderungen und Zukunftsaussichten.

Warum haben Sie sich entschieden, dieses Paper zu schreiben?

Ursprünglich kam die Idee aus der Leitungsgruppe des NFP 79. Wir wollten die Expertise der Gruppe nutzen, um eine aktuelle Perspektive auf die 3R zu formulieren und das komplexe Themenfeld verständlich zu strukturieren: Wo stehen wir mit den 3R – über 60 Jahre nach ihrer Formulierung? Wohin geht die Reise? Wo liegen die Potentiale, wo die Grenzen der 3R und weshalb? Wie kann das Konzept vielleicht auch weiterentwickelt werden?

Sie sind auch Präsident des NFP 79. Gibt es da eine Verbindung zu diesem Paper?

Ja. Die Autorinnen und Autoren sind zum grossen Teil Mitglieder der Leitungsgruppe und sie waren auch in den Aufbau des NFPs involviert. Für uns Autoren ist klar, dass es bei der Weiterentwicklung der 3R im Wesentlichen um drei miteinander verwobene Bereiche geht: Innovation, Implementierung, Ethik und Gesellschaft. Wir sind der Meinung, dass Innovation alleine nicht ausreicht, sondern beispielsweise die Frage nach der Implementierung eine grosse Rolle spielt. Die Ergebnisse aus der Forschung müssen besser in der Praxis umgesetzt werden. Zudem thematisieren wir auch die Frage nach dem Beitrag der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Rechtswissenschaft, denn die Umsetzung des 3R-Gedankens ist auch eine gesellschaftliche Frage. Die Weiterentwicklung der 3R ist ein interdisziplinäres Projekt.

Wo liegen aus ihrer persönlichen Sicht die grössten Herausforderungen in der Weiterentwicklung der 3R?

Durch die Arbeit an diesem Paper ist zumindest mir immer deutlicher geworden, dass eine «one size fits all»-Mentalität im 3R-Bereich nicht erfolgversprechend sein kann. Vielmehr braucht es die differenzierte Auseinandersetzung mit konkreten Forschungsbereichen, in denen die Potentiale und die Grenzen der 3R ausgelotet werden.

Um das an einem Beispiel zu illustrieren: Toxizitätsprüfungen von Stoffen funktionieren anders als Grundlagenforschung. Während es bei der Toxizitätsprüfung Vorgaben gibt, die zu erfüllen sind, und klar ist, was durch alternative Methoden ersetzt werden muss, ist das bei der Grundlagenforschung fundamental anders. Auf solche Unterschiede machen wir im Paper aufmerksam.

In den Schlussfolgerungen des Papers weisen sie auf das Problem hin, dass die 3R ein Problem bei der Finanzierung wie auch im Publikationswesen haben. So werden 3R-Methoden im Vergleich zu Tierversuchen noch immer relativ wenig gefördert und auch bei den Publikationsmöglichkeiten, einem wichtigen Faktor für junge Forschende, gibt es Einschränkungen. Was müsste man unternehmen, um das zu ändern?

Mit dem NFP 79 hoffen wir, einen wesentlichen Beitrag dafür zu leisten, dass sich 3R-Forschung in der Schweiz als erfolgreiches und eigenständiges Forschungsfeld weiter etabliert und institutionalisiert. Das bedeutet, dass es auch Karrieremöglichkeiten für Forscherinnen und Forscher bereithalten muss. Für eine nachhaltige Etablierung braucht es freilich auch genügend Anreize, damit sich Nachwuchsforscherinnen und Nachwuchsforscher in diesem Feld engagieren können.

Wenn wir es mit Hilfe des NFP 79 schaffen, dass weitere Forschungszentren aufgebaut werden, dann haben wir viel für die Schweiz und den Schutz von Tieren in der Forschung erreicht. Und natürlich: Der Wunsch ist, die Schweiz zum sichtbaren Vorreiter in der 3R-Forschung und der Weiterentwicklung der 3R zu machen.

Was erhoffen Sie sich von dieser Publikation?

Dass sie viele Menschen lesen, dadurch besser verstehen, wo der Hase im Pfeffer liegt, wenn es um 3R geht und wir dadurch eine gute Diskussion ermöglichen, wie wir der komplexen Frage der Verwendung von Tieren in der Forschung besser und differenziert begegnen können.